Nach gründlicher Erkundung des Ortes und Aufräumarbeiten entschlossen wir uns doch, das Risiko einzugehen und zu versuchen, die Manse wieder in Betrieb zu nehmen. So würden wir jedenfalls herausfinden können, ob der Besitzer noch lebte und den Hearthstone noch besaß (dann würde er nämlich auf uns aufmerksam), und außerdem konnten wir so vielleicht die Verteidigungsanlagen wieder soweit hochfahren, daß wir hier auch vor den möglicherweise anrückenden Drachen, die der "Aennis" folgen mochten, geschützt waren. Jalna erlas sich die nötigen Informationen, Taeras besorgte die Materialien und spielte den Lastesel, alles in den Turm zu transportieren über die endlose Treppe aus dem Tal herauf; Bayantu ging mit Fleckenfell jagen, um für unsere Nahrung zu sorgen; Corinn zeichnete auf, wie die Designs an den Wänden wiederherzustellen waren und ich baute und modellierte danach die Steindekos wieder mit Ton auf. Das war natürlich nur ein Provisorium, eigentlich hätten wir einen Steinmetz benötigt. Jalna legte die überstrichenen Schriften an den Wänden wieder frei und der Goonie machte sich auch nützlich.
Wir erkannten allmählich die Zusammenhänge und Muster, die den Energielauf der Manse lenkten und unsere beschränkten Möglichkeiten. Aber trotzdem arbeiteten wir weiter. Bayantu beschwor einen Erdgeist, der das Höhlensystem unter dem Turm erforschte, ein Spielplatz für Winde - diese Manse war dem Element Luft geweiht und die Höhlensysteme bestimmten mit den Luftströmungen die Energieflüsse der Manse. Doch uns fehlte immer noch etwas, was eine Steuerung ermöglichte. Der Scheibenmechanismus auf dem Turm war ein Instrument für astronomische Untersuchungen, die Runen auf dem Gestänge Positionsangaben von Sternen, das Gestell selbst beweglich zur Ausrichtung auf Himmelskörper. Jalna fand schließlich im Turmzimmer einen Schriftrest mit folgendem Inhalt:
"Der Regen der Erde fülle die Welt, und der Name des Ortes werde genannt in den Augen des Sehenden, der Welt zu. So sehe er die Wurzel des Sturms und rufe sie hervor. Der Spiegel der Sonne..."
Dies ließ uns wieder zum Höhlensystem, auf die Wurzel der Manse, zurückkommen und wir brachen zu einer Expedition auf.
Wir zogen oben im Turmzimmer ein und experimentierten dort weiter. Wir positionierten die Schale auf der Mitte der Säule direkt unter der Öffnung in der Decke zum Dach. Wir füllten die Schale mit den seltsamen Zeichen mit Regenwasser aus dem wieder geflickten Krug, den wir gefunden hatten. Wir legten schliesslich auch die Kristallkugel in die Mitte der wassergefüllten Schale. Vor allem, nachdem Jalna ein weiteres Textstück gefunden hatte, auf dem in etwa stand:
"Der Boden-Schauer fliesst über die Schöpfung. Ist das Bild des Platzes bekannt, so ist es in der Wirklichkeit. So ist das Bild der [*], dessen Name genannt wird in der Palette der Heiligen."
[Anm. der SL: Das war der gleiche Text, nur eine alternative Übersetzung.]
[*] stand für einen unentzifferbaren High Realm Eigennamen, vielleicht den eigentlichen Namen dieser Manse. Die komischen Zeichen auf der Innenwand der Schale sahen allmählich wie eine Landkarte mit Namen aus, besonders, wenn man sie durch die im Wasser liegenden Kristallkugel betrachtete. Wenn das Licht genau von oben darauf fiel, erschien ein Lichtpunkt, der über diese Karte wanderte mit dem Lauf der Sonne. Wir richteten also den Sonnenscheibenspiegel oben auf dem Dach so aus, daß er das Licht der Sonne genau durch die Öffnung in die Turmkammer in die Schale mit der Kristallkugel warf. Dann sah ich in die Kristallkugel und versuchte den Namen des Tigerbergs in High Realm nach Jalnas Anweisungen auszusprechen. Ein kurzes Aufblitzen auf der Landkarte der Schale, dort wo sich dieser in etwa befinden mußte, war die Folge.
Davon ermutigt, probierten wir weiter und versuchten es mit dem Namen der Blauwasser-Manse und Whitewalls. Doch irgendwas stimmte noch nicht ganz. Wir probierten es schließlich mit Salzwasser, nachdem wir die Textreste noch mehrfach studiert hatten und siehe da: das Bild der Karte in der Schale wurde viel deutlicher und größer. Beim Rufen des Namens des Tigerbergs fuhren meine Augen plötzlich auf die Landkarte zu, sie gewann an Detail und ich sah dort einen echten Tiger sitzen, der sich die Pfoten leckte, als ich mich auf die Ansicht des Tigerbergs konzentrierte. Völlig verblüfft, als der Tiger gerade den Kopf hob und mich anblickte, brach ich den Blickkontakt ab und erzählte den anderen davon.
Nun wollte Bayantu die Sache auch ausprobieren. Als Schamane hatte er tatäschlich mehr Erfolg: es gelang ihm, Kontakt zu Indis herzustellen und er sprach mit ihr über all die Entfernung hinweg - wobei wir nur ihn hören konnten und nicht, was Indis sagte. Aber das er mit unsichtbaren Wesen sprach, waren wir ja schon gewöhnt. Bayantu erzählte, was wir bisher hier vorgefunden hatten und was offenbar geschehen war und fragte nach einem Abholkommando. Indis riet uns, die Manse hochzufahren, soweit wie möglich, da die Drachen heutzutage jedes Wissen über Hearthstones verloren hätten. Es gäbe nur noch fünf Menschen auf der Welt, die davon wüßten, eine davon wäre sie und nun auch wir. [Anm. der SL: Das hat Joanna so nicht ganz richtig verstanden. Es ist etwas anders, von dem Indis meinte, nur noch fünf Wesen wüßten davon.] Wenn die Manse zumindest teilweise wieder aktiviert wäre, wäre es leichter, Hilfe zu uns zu schicken, und es ginge auch schneller.
Nach dem Gespräch berichtete uns Bayantu alles. Wir experimentierten noch ein wenig und fanden dann auch die Blauwasser-Manse, deren "Totem" eine blaue Schlange war, so wie ein weißer Tiger das "Totem" des Tigerbergs. Whitewall erschien lediglich als blauer Punkt auf der Karte. Wieviele andere Manses hatte es wohl gegeben oder gab es noch, die uns nicht bekannt waren und die wir nicht "anrufen" konnten, weil wir ihren wahren Namen in High Realm nicht kannten? Indis war sehr überrascht gewesen, auf diesem Weg kontaktiert zu werden, sie sagte, das habe seit sehr langer Zeit niemand mehr getan. Anscheinend war das Wissen um diesen "Fernsprecher-Mechanismus" völlig in Vergessenheit geraten. Aber sowas war extrem nützlich!
Und dann hatte ich plötzlich die Idee, als wir alle ratlos rumstanden, wie um Himmelswillen wir die Manse aktivieren sollten. Ich nahm die Kristallkugel, fragte Jalna nach der Übersetzung von "Wurzel des Sturms", dem Begriff in High Realm, den er dort gefunden hatte und rief ihn - dies war der wahre Name der Manse! Gleichzeitig schob ich magische Essenz, als ich spürte, wie sich etwas wie ein Schlüssel im Schloß drehte. Es hob ein Summen und Brummen und Brausen an, je mehr Essenz ich hineingab. Der Turm um uns wurde immer durchsichtiger, gleichzeitig war mir, als würde ich auf Winden immer höher emporgehoben. Schließlich standen wir nur noch in der Luft, nach 30 Essenzpunkten war die Manse noch immer nicht voll hochgefahren, aber unsere notdürftigen Reparaturen begannen zu bröseln, daher fuhr ich die Energie wieder auf einen niedrigeren Level herunter und zwar sehr langsam, bis wir die Manse ca. auf Level 2 von 10 energetisch stabil halten konnten. Und dann sahen wir uns begeistert um.
Die Flammenwand war deutlich weiter draußen als zuvor, damit war die Wyldgrenze deutlich rausgeschoben. Man konnte mit der Kristallkugel geistig die ganze Insel ansehen, sogar in die goldenen Hafenstatuen hineingehen und aus deren Augen blicken. Wahrscheinlich konnte man sie sogar auf diese Weise bewegen, wenn alles voll aktiviert war. Wir sprachen noch einmal mit Indis, erzählten ihr, was wir erreicht hatten und forderten einen Steinmetz an für die nötigen Ausbesserungen. Indis versprach uns, Ago aus dem Norden zu schicken, der würde nicht viel fragen, aber wir sollten ihm besser auch nichts erzählen, er könnte uns dann in ca. zehn Tagen abholen und wieder in zivilisierte Gegenden bringen. Bis dahin würden wir ein gezieltes Einregeln der Manse versuchen, für die Zeit unserer Abwesenheit, und auf die Suche nach dem Hearthstone gehen. Wenn es ihn nicht mehr gab, weil z.B. durch die Drachen zerstört war oder mit Kazân verschollen, würde es nämlich eine ziemlich lange Zeit dauern, bis sich ein neuer bildete - oder, wenn er noch irgendwo lag, würden wir ihn suchen müssen, sonst wäre eine richtige Nutzung der Manse gar nicht möglich. Aber vielleicht konnte uns diese Manse helfen, soweit sie schon aktiv war, den Hearthstone zu finden, es mußte dann eine Art Verbindung geben, vielleicht auch über den Namen der Manse.
Wir waren jedenfalls ziemlich zufrieden mit uns.