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MIDGARD:
Jené

Teil III: Kapitel 10 - 14

Teil I: Kapitel 1 - 4
Teil II: Kapitel 5 - 9


Inhalt

Kapitel 10: Jené und Umgebung, die Zweite
Kapitel 11: Im Turm von Jené
Kapitel 12: Gaofàr bis Dea Camh
Kapitel 13: Dea Camh
Kapitel 14: Das Ende der Reise


10. Jené und Umgebung, die Zweite

(15.7. - 17.7.1025 n.K.)

Zwei Tage vor Vollmond brachen sie endlich zur letzten Etappe ihres Weges auf. Ellifanwy, die sich bereiterklärt hatte, ihre Führerin zu sein, weckte sie in der Morgendämmerung, und nach einem kurzen Frühstück machten sie sich auf die Socken. Der Weg in die Berge war mühselig, und gegen Mittag waren Thegil und Kojiro schon ganz schön geschafft. Als sie sich Jené weiter näherten, wurde der Weg plötzlich leichter begehbar, und Faksal entdeckte, daß sie sich auf einer uralten, fast völlig überwucherten und verschwundenen Straße befanden, die auf dem schnellsten Wege nach Jené führte.

Fünf Stunden nach Mittag erreichten sie die Wiese, die wirklich nach nichts aussah. Doch Faksal stellte schnell fest, daß sie sich auf einer außergewöhnlich starken Kreuzung ungerichteter Kraftlinien befanden. Thegil versuchte, die Aura des Ortes festzustellen, erzielte aber nur einen Teilerfolg: die Aura war intensiv, aber sehr konfus (oder machte ihn konfus -- das ließ sich nicht unterscheiden).

Die Abenteurer machten eine Stunde Pause, um sich von dem strapaziösen Marsch zu erholen, dann wünschte Ellifanwy ihnen viel Glück und verabschiedete sich mit dem festen Vorsatz, bis zum Dunkelwerden noch einige Meilen zwischen sich und diesen spukigen Ort zu bringen.

Die Abenteurer begannen derweil, den Platz systematisch abzusuchen. Der Druide in Chaenne hatte angedeutet, die "Zeichen" könnten in irgendeiner Form noch am Ort zu finden sein, und so drehten die Forscher praktisch jeden Stein auf der steinigen Wiese um. Nach über einer Stunde hatte ihre Suche Erfolg: Sharevi entdeckte in der Mitte der Wiese einen Stein, der sich nicht umdrehen ließ und eine seltsam regelmäßige Form hatte. Sie holte sofort die anderen her und man begann zu graben. Der Fund erwies sich als eine flache, runde, drei Schritt durchmessende Steinplatte. Bis zum Sonnenuntergang hatten sie etwa ein Viertel davon freigelegt und erkannten bereits, daß Zeichen in die Platte gemeißelt waren.

Die Sonne ging in leuchtenden Farben von Rot unter und der fast volle Mond hing über den schroffen Gipfeln der Drei Schwestern. Ob es an der beeindruckenden Kulisse, an der Einsamkeit, oder an der seltsamen Ausstrahlung des Ortes lag, die Abenteurer fühlten sich nervös und besorgt, und keiner hatte irgendwelches Interesse daran, im Licht des Mondes weiter an diesem komischen Stein zu graben. Schließlich war morgen auch noch ein Tag. Die Felsen, die die Wiese im Norden begrenzten, boten Schutz vor dem kalten Wind (und vielleicht auch vor irgendwelchen Geistern, die womöglich nachts über die Wiese tanzten), und zwischen ihnen haute sich die Gruppe aufs Ohr.

Was immer die Felsen vielleicht fernhielten, Träume hielten sie nicht fern.

Sharevi träumte, sie sei eine junge Zauberin und betrete einen hohen weißen Turm. Der Turm war voller Treppen, und sie begann, die Treppen hinauf zu steigen. Sie stieg weiter und weiter, die Treppen erschienen endlos, während es um sie herum immer dunkler wurde, bis sie schließlich die Stufen nicht mehr sehen konnte in der Dunkelheit. Und doch stieg sie weiter und weiter, bis ein Donnerschlag den Turm ershütterte, und sie fiel...

Thegil träumte, er sei bei sich zu Hause und suche etwas. Das Haus erschien ihm völlig fremd, doch die Anordnung der Räume war vertraut. Er suchte etwas, aber er konnte sich nicht erinnern, was es war. Er wußte nicht einmal, wie es aussah.

Faksal stand in ihrem Traum vor einer Klasse von Schülern und versuchte, ihnen ein völlig einfaches und einleuchtendes Konzept begreiflich zu machen, aber es gelang ihr nicht, Die Schüler waren einfach unglaublich begriffsstutzig und stellten sich so dumm an, daß es Faksal schier zur Verzweiflung trieb.

Kojiro schlief die ganze Nacht wie ein Ratz und völlig ungestört von irgendwelchen Träumen.

Während ihrer Wache suchte Faksal sich einen Aussichtspunkt und beobachtete die Tiere, die in dieser Gegend so am frühen Morgen ihren Geschäften nachgingen. Dabei fiel ihr auf, daß die Tiere die Wiese mieden. Ein Steinbock machte sogar einen extra großen Bogen darum, und nicht einmal die kleinsten Vögel hielten die Wiese für einen geeigneten Platz für eine Zwischenlandung.

Nach dem Aufstehen ging Sharevi, um sich ums Frühstück zu kümmern. In dieser Gegend fühlte sie sich fast heimisch, und nach einer Stunde hatte sie genug gesammelt, um vier Leute (dreieinhalb?) sattzukriegen. Der Rest der Gruppe grub derweil und schimpfte vor sich hin, weil man natürlich wieder allen möglichen Krempel dabeihatte, nur keine Schaufel.

Schaufel? dachte Faksal. Braucht man? Hm. Sie überließ das Graben den beiden anderen und stieg ein Stück bergab, wo Bäume und Sträucher wuchsen. Bald hatte sie ein geeignetes Stück Holz gefunden und machte sich ans Werk. Nach dem Frühstück gingen die Ausgrabungsarbeiten mit Hilfe eines Grabholzes erheblich flotter voran. Kurz vor Mittag hatten sie den Stein endlich freigelegt. Tatsächlich trug er die Zeichen: Den neunstrahligen Stern und die Yhen-Nên-Doppelrune.

Was blieb zu tun? Sie waren einen Tag zu früh fertiggeworden und hatten eine Menge Zeit zum Totschlagen übrig. Faksal hielt einen kurzen Einführungsvortrag zum Thema Kraftlinien, und dann hockten alle rum und sahen zwei langweiligen Tagen entgegen.

Sharevi streunte durch die Gegend und sammelte Eßbares -- und erlebte beim Wiederkommen einen Schreck: es war keiner mehr da! Nun, ganz unvorbereitet war sie ja nicht auf seltsame Geschehnisse. Sie schaute sich gründlich um, überprüfte am Sonnenstand die Zeit -- doch, kurz nach Mittag, wie gehabt -- sah nach dem Lagerplatz zwischen den Felsen (nichts), zuckte die Schultern und ging noch eine Runde. Als sie diesmal zurückkam, waren alle da als seien sie nie weggewesen. (Tatsächlich waren sie nie weggewesen.)

Später am Nachmittag hörte Faksal zwischen den Felsen in der Nähe ihres Lagers Stimmen. Sie schlich sich heran, und obwohl niemand zu sehen war, hörte sie die Stimmen klar und deutlich direkt vor sich. So belauschte Faksal ein Gespräch zwischen Yen-Kinon und einem seiner Schüler. Sie erfuhr, daß Yen-Kinon im "Rat" von einer Frau namens Marcena angegriffen wurde, die offenbar eine Menge Anhänger hatte. In resigniertem Ton meinte Yen-Kinon "Ich habe ihnen nie etwas beibringen können". Dann entfernten sich die Stimmen, und es gelang Faksal nicht, sie zu verfolgen.

Thegil schnüffelte mal wieder nach der Aura und wurde fast aus den Socken gefegt: Wie schon auf der Straße, völlig unbekannt und fremdartig -- nur viel, viel stärker. Und als ob das noch nicht genug wäre, wurde Thegil den ganzen Abend das Gefühl nicht los, daß jemand da wäre. Manchmal meinte er, den Jemand direkt hinter sich zu spüren, fuhr herum und griff in die Luft, um einen eventuellen Unsichtbaren zu fassen zu bekommen -- vergeblich, Die anderen wunderten sich über das Betragen des Elfen. Sharevi konstatierte, daß sie wohl alle anfingen zu spinnen und sang ein paar fröhliche Mutmach-Lieder, die auch den gewünschten Effekt hatten.

Der Abend kam, und sie krochen mit gemischten Gefühlen in ihre Decken: was für Spuk stand ihnen in dieser Nacht bevor? Der Rest der Welt versank im Nebel, als die Sonne unterging, doch über Jené schienen die Sterne klar und kalt. Der Mond erhob sich über die Nebel und malte Schatten auf das Gras: Schatten eines Turmes, Schatten von Wesen, die nicht da waren, um Schatten zu werfen. Und die Schatten der Abenteurer selbst wirkten verzerrt und fremd, als gehörten sie zu ganz anderen Wesen. Auch diese Nacht brachte wieder Träume, intensiv, farbig und beunruhigend. Am Morgen war die ganze Gescellschaft erleichtert, daß die nächste Nacht die entscheidende sein würde. Diesen Ort hielt man einfach im Kopp nicht aus.

Den folgenden Tag verdrömelten sie und sangen viel, um echte und eingebildete Geister auf Distanz zu halten. Endlich ging die Sonne unter.

Mit der Nacht kamen die Schatten. Tiergestalten mit gelben Augen schlichen um die Wiese, lugten zwischen den Felsen hervor, belauerten die Abenteurer wachsam. Thegil sah im jedem Schatten einen verkleideten Erzhexer und wünschte allseits höflich einen guten Abend. Es wurde Mitternacht. Die Abenteurer hatten sich darauf geeinigt, alle gleichzeitig den runden Stein zu berühren und nach Yen-Kinon zu rufen. Doch als sie das taten, stieß die wolfsähnliche Gestalt hinter den Felsen ein klagendes Geheul aus, das so grausig war, so voller Trauer und Verlassenheit, daß ausgerechnet Sharevi die Nerven durchgingen. In wilder Flucht stürzte sie in entgegengesetzter Richtung davon, rollte ein Stück den Hang hinunter und landete dann zum Glück in einem Bach, wo das kalte Wasser sie wieder zu sich brachte. Kein Grund zur Panik, nicht wahr? Thegil bemühte sich derweil um Kommunikation mit dem Wolf-Wesen. Er spürte die Trauer und Einsamkeit des Wesens und verstand sogar etwas wie "hole die Zeit aus den Hügeln zurück; finde..." ehe der Kontakt abbrach.

Zweiter Versuch. Stein berühren. Rufen. Nichts geschah. Das war nicht vorgesehen! Hektisch begannen sie, herumzuprobieren, und entdeckten schließlich, daß jemand, der sich direkt auf den Stein stellte, verschwand -- und sich übergangslos in einer großen, runden Halle wiederfand. Der Boden war mit weißen und schwarzen Fliesen in einem verwirrenden Muster bedeckt, die Fenster waren hoch und schmal, ein großes Tor führte nach draußen und eine Treppe ins erste Stockwerk. Sie waren in Jené.

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11. Im Turm von Jené

(irgendwann)

Das erste, was sie über Jené lernten, war, daß es nicht klug war, sich zu trennen. Als Faksal nämlich von innen zum Tor ging, um zu gucken, wie's draußen so aussah, machte sie versehentlich einen Schritt zuviel -- und stand allein auf der mondbeschienenen Wiese. Kein Turm weit und breit. Eilig lief sie zurück auf den Stein, und fand sich wohl im Turm wieder, nicht aber die anderen. Also machte sie sich allein auf die Suche -- nach den anderen, nach Yen-Kinon, nach Antworten, nach was-auch-immer. Die anderen warteten derweil eine Weile auf Faksal, nahmen dann an, daß die Druidin wohl in eine der "Seltsamkeiten" geraten war, und begannen ihrerseits mit der Erforschung des Turms -- was blieb ihnen sonst auch übrig.


Gegen das Innere von Jené war alles verrückte Zeug, daß sie auf der Wiese erlebt hatten, nur ein schwacher Vorgeschmack gewesen. Gänge verbogen sich in unerwartete Richtungen, Türen öffneten sich in Räume, die es nicht hätte geben dürfen, und wenn man den Weg zurückging, den man gekommen war, stand man wer-weiß-wo, nur nicht an seinem Ausgangspunkt. Der Blick aus den Fenstern gab keinen Aufschluß: unten Nebel, oben Sterne, sonst nichts.

Gelegentlich traten sie durch eine Tür und fanden sich unter (scheinbar?) freiem Himmel: in Wäldern oder sogar in offenem Grasland, das sich bis zum Horizont erstreckte. Dann gingen sie durch etwas, das entfernt an eine Tür erinnerte und waren wieder im Turm. Falls man überhaupt davon ausgehen konnte, daß um sie herum noch so etwas triviales, dreidimensionales wie ein Turm war. Andere Räume traten wenigstens als Räume auf, aber was sie enthielten, war ebenfalls bizarr. Sharevi und Thegil entdeckten ihre heimatlichen 'Wohnzimmer' (der Elf fand sogar seine Murmelsammlung in genau der Schublade, wo er sie zu finden erwartet hatte).

Ein halb fertiggewebter Wandteppich (der auf den ersten Blick ein Durchgang zu sein schien) zeigte eine sehr lebendige Szene: Eine hohe, reich geschmückte steinerne Halle, in der sich viele prächtig gekleidete Männer und Frauen versammelt hatten. Sie alle starrten eine einzelne Frau in ihrer Mitte an, die einfach, fast ein wenig abgerissen gekleidet war, barfuß und mit struppigem Haar, und eine schlichte Harfe in der Hand hielt. Obwohl die Blicke der Umstehenden Hohn und Herablassung ausdrückten, wirkte die Frau in der Mitte locker und selbstbewußt, schien sogar verstohlen zu lächeln, als wisse sie allein ein Geheimnis. Durch das Fenster der Halle waren auf der einen Seite Wiesen und reifes Korn zu sehen, auf der anderen das aufgewühlte Meer. Während Thegil das Bild betrachtete, sah er zu seinem größten Erstaunen, daß die Frau mit der Harfe ihm zuzwinkerte. Ganz Kavalier verneigte er sich höflich (und kam so in den Ruf, mit Wandteppichen zu flirten).

Weiterhin stolperten sie in eine dunkle Halle, wo nichtmenschliche Wesen eine Art Andacht abhielten (nichts wie weg) und schließlich in eine Raum, der fast wie Kojiros Wohnzimmer aussah -- nur, daß er von einer alten Frau bewohnt wurde, die sich als Chen Tzi vorstellte.

Sie sagte, sie sei im 10237. Jahr nachdem der Große Drache die Welt ausgespien hätte, dem Ruf Yen Ki Nos nach Ye Ne gefolgt, wo sich die fähigsten Zauberer der Welt zum Forschen und zum Gedankenaustausch trafen. Kojiro kannte die Zeitrechnung, konnte sie aber nicht umrechnen. Auf Nachfragen erfuhr die Gruppe, im Süden, in Pelagis, habe grade der junge Jarret II den Thron des Reiches bestiegen. Thegil begann, hektisch zu rechnen, und kam auf das Jahr 240 nK. Und da waren sie jetzt? Uh oh.

Trotzdem vergaßen sie den Grund ihres Herkommens nicht, erzählten ihre Geschichte und erfuhren, daß ein gewisser Rumal von Cheonea der Spezialist in Sachen Fluchkunde sei. Chen Tzi gab auch eine Anleitung, wo Rumal zu finden sei -- nur war die Anleitung für die Abenteurer völlig wertlos, da die Gänge, die sie von Chen Tzis Tür sahen offenbar nicht dieselben waren, auf die die alte Dame in ihrer Beschreibung Bezug genommen hatte.


Faksal unterhielt sich derweil mit einem Zwergen namens Rálin, der sämtliche Absonderlichkeiten, von denen sie zu berichten hatte, kurzerhand auf die mangelnde Disziplin der jungen Zauberer -- vor allem der Illusionisten -- schob. Diese Aussage beruhigte Faksal, obwohl sie völlig unzutreffend war (oder eher relativ, denn Rálins Jené unterschied sich erheblich von Faksals). Immerhin konnte Rálin der Gnomin den Weg zu einer Treppe beschreiben, die sei näher an die "Chefetage" bringen würde -- und diese Treppe, eine lange, enge, steinerne Wendeltreppe, war sogar da, wo Faksal sie erwartete.

Irgendwann rannte Faksal in den Rest der Gruppe rein. Dafür verschwand Sharevi, die einer plötzlich aufgetauchten Tür zu viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

Wenig später gerieten sie in bewohnte Gebiete. Faksal und Thegil, die versuchten, durch die Ritzen einer Schwingtür zu spähen, wurden von einem jungen Mann in himmelblauer Robe über den Haufen gerannt. Diese Zufallsbekanntschaft stellte sich als Orveg vor, Geselle der Praktischen Magie. Praktische Magie? fragte Thegil und erfuhr, daß es dabei um Dinge wie Wetterzauber und das Heraufbeschwören kleiner dienstbarer Geister (wie z.B. Putzteufel) ging.

Die Geschichte der Abenteurer erstaunte Orveg nur mäßig: War nicht schon vor zehn Jahren auf Initiative der Elfin Marcena ein Lehrstuhl für Zeitforschung eingerichtet worden und hatte der jetzige Lehrstuhlinhaber, Merigno von Casta'althé, nicht die theoretische Möglichkeit von Zeitreisen nachgewiesen? Orveg erzählte gern davon, denn die Beschäftigung mit Zeitforschung fand er erheblich abgefahrener und interessanter als sein eigenes, gar zu prosaisches Fach. Den Abenteurern dagegen verursachte das Wort "Zeit" inzwischen eher Magendrücken, und Thegil machte sich entschieden für die Anerkennung der Praktischen Magie stark.

Das Interesse des Elfen freute den Magiergesellen, und sie verabredeten, daß Orveg dafür sorgen wollte, daß Kopien seiner Forschungsschriften über Praktische Magie (die er ohne Zweifel verfassen würde) in der Bibliothek von Kyla verwahrt werden sollten. Orveg hatte das uralte Jené immer für den Ort gehalten, der den Stürmen der Zeit am ehesten widerstehen würde, aber den Worten der Besucher zufolge schien Kyla, die über vierhundert Jahre alte Bergstadt, die bessere Wette für Werke von bleibendem Wert zu sein. Orveg schrib Thegil auf dessen Bitte hin sogar einen Zettel, der ihm (hoffentlich) Zugang zu Orvegs dann (hoffentlich) existenten Werken in der Bibliothek von Kyla erlaubte.

Auch zu dem geheimnsvollen Wandteppcih konnte Orveg etwas sagen: Die dargestellte Szene war eindeutig das berühmte Bild aus der Sage von der Sängerin und dem König von Ui Niall. Der König und seine Ritter hatten die fahrende Bardin wegen ihres Mangels an Schönheit verspottet, und sie hatte ihnen daraufhin ein Lied von solcher Schönheit gesungen, daß der König und sein Hofstaat auf der Stelle zu Stein wurden.

Die Gruppe bekam noch mehr von Jené zu sehen, daß sich jetzt ein wenig stabilisierte. Orveg führte sie in die Bibliothek, wo sie viel zu sehen und zu hören bekamen, wenn auch nichts, was ihnen konkret weitergeholfen hätte. Thegil kopierte sich eine Karte der magischen Feldlinien in den nördlichen Ländern (wer weiß, wozu es gut ist). Sie erfuhren, daß die Feldlinien nicht einfach nur existieren, wie die Druiden es lehren (Faksal knurrte unwillig), sondern auch geprägt werden können -- zum Beispiel durch menschliches Wirken. Derartige Linien müssen nicht neutral sein, sondern können Tendenzen beinhalten und verbreiten. Es ist möglich, diese Tendenzen zu manipulieren, entweder direkt (schwierig) oder durch gezielte Prägung, und so kann eine an einer Stelle getane Tat oder ein wirksam gewordener Einfluß die Tendenz einer oder vieler Linien und Orte in einer wahren Kettenreaktion, die praktisch nicht zu berechnen oder weiszusagen ist, verändern.

Alle waren sehr freundlich und hilfsbereit, aber sie waren sich auch einig, daß der Einzige, der den Abenteurern in Sachen Nahenjé wirklich helfen konnte, der Chef war -- und der war nicht zu erreichen. Auf Reisen, in Klausur, oder die Götter mochten wissen wo (oder wann), jedenfalls nicht zu erreichen. So verabschiedeten sich die Abenteurer von Orveg und den Leuten in der Bibliothek, gingen weiter -- und verirrten sich prompt. Doch diesmal hatten sie großes Glück: eine unscheinbare Holztreppe führte sie in eine Werkstatt in einer einfachen Hütte -- und in dieser Werkstatt saß ein Gnom und meißelte, vergnügt vor sich hinpfeifend, bekannte Zeichen in einen gewaltig großen Stein. In genau den Stein, den sie irgendwann in ihrer eigenen Zeit auf einer spukigen Wiese ausgegraben hatten.


Der Gnom reagierte ein wenig verwundert, aber nicht unfreundlich auf die überraschend aufgetauchten Besucher, die erstmal vorsichtig fragten, wann sie waren. Die Wiese und die Berge waren vertraut, und der Gnom Rufus Bergbauer und Marja, die Halbelfin (halb Grau- und halb Meerelfin) erklärten bereitwillig, daß sie hier zusammen mit ihrem Freund Yen-Kinon (gulp) in der einsamen Wildnis des Nordens eine Stätte errichten wolten, wo sich Zauberer aller Couleur, aller Völker und Rassen sich treffen konnten, um gemeinsam zu leben und zu forschen, zum Nutzen der Magie und der allgemeinen Verbreitung von Erkenntnis.

Erkenntnisse gab es an diesem Tag mehr als genug. Schon die Einsicht, daß diese beiden gänzlich unprätentiösen Individuuen zusammen mit dem immer noch mysteriösen Yen-Kinon (Marja: "ein netter Kerl -- war eigentlich seine Idee") das mächtige, sagenumwobene Jené gegründet hatten, war ein ziemlicher Hammer. Am Nachmittag kam eine Gruppe von Menschen an, die Nahrungsmittel brachten. Im Austausch dafür, so erfuhren die Abenteurer, lehrte Marja die Medizinleute und Zaubersänger der Laani -- so hieß dieses Volk -- neue Zauber und Lieder.

Die Laani ähnelten den Menschen, die die Abenteurer auf ihren Reisen in diesem Land in ihrer eigenen Zeit getroffen hatten, überhaupt nicht. Sie waren kleiner und dunkeläugig, und Rothaarige waren bei ihnen überhaupt keine zu sehen. Thegil kramte wie besessen in seinem Gedächtnis, aber auch er wußte nicht über diese Gegend in dieser Zeit. Die Laani blieben ein Rätsel.

Ein anderes Rätsel wurde aufgelöst. Marja, die weitgereiste See-Elfe, erkannte Kojiros Schwert, sie hatte sogar mal mit dem Menschen gesprochen, der es geschmiedet hatte: Sen Yang, ein Meisterschmied, der in allen Dingen nach Perfektion gestrebt hatte, und so hatte er nur drei Schwerter hinterlassen, ein Kurzschwert, ein Langschwert, und eben den Bihänder, den Kojiro jetzt trug. Von irgendwelchen magischen Eigenschaften der Waffe wußte Marja nichts und zweifelte auch daran. Jedenfalls hatte Sen Yang die Schwerter dem Fürsten von Tan Ya Wan zum Geschenk gemacht, noch ehe dieser daran ging, die Halbinsel Tema No unter seiner Herrschaft zu einen, und in seinem Besitz müßten sie sich 'zur Zeit' noch befinden.


Ein Tag ging zu Ende, ein neuer Tag begann. Yen-Kinon kam nicht, dafür aber Sharevi. Ihr hatte Jené mehr Mühe gemacht als den anderen; sie war in einer ziemlich späten Phase hängengeblieben und hatte sich in Zeitspalten und Bürokratie verfranst, ehe es ihr endlich gelang, eine zuständige Person aufzutun und sich an einen Platz schicken zu lassen, wo die Suche nach den Zeitverfransten enden würde. (Oder anfangen würde.)

Außerdem brachte dieser Tag eine weitere Einsicht in die Natur von 'Magie'. Rufus erwähnte im Gespräch beiläufig, daß er die Runen (genau die, die der Gruppe in Tir Magha als sehr alt und sehr magisch vorgestellt worden waren) erfunden hatte. Wenn, so sagte er, Marja sie unter den Bewohnern dieses Landes nur überzeugend genug als 'mächtig große Medizin' verbreitete, würden Zeit und Glauben das ihre tun und die Runen, die sich auch auf dem Grundstein von Jené befanden, schon magisch genug werden. Man war erfreut, ihm mitteilen zu können, daß er da richtig lag.

Die Zeit verging mit munteren Reden. Thegil ließ sich von Marja ein Autogramm geben, und die See-Elfe erzählte von einem weiteren Volk, daß außer den Laani noch den Norden bewohnte. Schwarzhäutig waren sie -- "nicht wie manche Menschenstämme im Süden, die ganz dunkel braun sind, sondern Schwarz, wie manche Steine" -- keine Menschen oder Elfen, obwohl von gleicher Größe, und sie benutzten eine Art von Magie, die die Elfin bis heute nicht verstanden hatte. "Die Laani gehen ihnen aus dem Weg, aber ich hoffe, ein paar von ihnen kommen zu uns. Leider sieht es so aus, als wollten sie vor allem in Ruhe gelassen werden. Schade..."


Für den nächsten Morgen hatte Yen-Kinon seine Rückkehr angekündigt, und so waren alle früh auf den Beinen. Bald näherte sich ein großer Schatten von Osten, vor dem Licht der aufgehenden Sonne, ein gewaltiges, geflügeltes Wesen -- und kurze Zeit später landete der Riesenadler auf den Felsen, die die Wiese umgaben, und von seinem Rücken rutschte, zähneklappernd und steifgefroren, ein junger Mann, der sich fest in seinen schwarzen Umhang gewickelt hatte: der legendäre Yen-Kinon. Rufus brachte Kaffee (echten!!), das Feuer wurde geschürt und der Neuankömmling aufgetaut.

Was immer die Abenteurer erwartet hatten: Das doch irgendwie nicht. Thegil fragte noch mal vorsichtig nach dem Grund für Yen-Kinons schwwarze Kleidung, und bekam zu hören: "Es steht mir -- und ich bin eitel."


Irgendeine Anzahl von Tagen verging. Yen-Kinon erzählte den Abenteurern, daß ihre Herkunftszeit von jetzt aus gesehen zweitausend Jahre in der Zukunft läge. Er würde sie dorthin zurückschicken, sagte er, und gab ihnen Anweisungen, wie sie dann sein zweitausend Jahre älteres Ich auftreiben sollten, und daß er sich vornehmen würde, ihnen dann in Sachen Nahenjé weiterzuhelfen -- im Moment verstünde er noch nicht genug von der Materie, aber das würde schon noch kommen. Während Yen-Kinon den Zeitversetzungszauber vorbereitete. ließen sich die Reisenden von Rufus sein Runenalphabet beibringen. Etwas hoch magisches kann ímmer brauchen...


Der Zauber der Zeitversetzung wurde von Yen-Kinon und Marja gemeinsam ausgeführt und machte einen komplizierten Eindruck, wenn auch niemand aus der Gruppe genau mitkriegte, wie ihnen eigentlich geschah. Jedenfalls standen sie nach einer heftigen Attacke auf ihren Gleichgewichtssinn am Fuß einer der ach so wohlbekannten langen Wendeltreppen in jenem verlassenen, traumartigen Jené, daß sie in einer Vollmondnacht vor (wieviel?) Tagen das erste (?) Mal betreten hatten. Sie erstiegen die Treppe und kamen in einem quadratischen Raum heraus. Der Raum war von acht Kerzen erleuchtet, und in seiner Mitte stand eine Schale mit etwas, das wie Wasser aussah, aber kälter war als der Winter im Rake.

Thegil kam ein Vers in den Sinn, den er in Jené gehört hatte, und vorher schon, fragmentarisch, in dem Rundgesang, dem Volkslied, an dem sie solchen Spaß gehabt hatten. Weisheit liegt im Herz des Dunklen. Er schlug vor, die Kerzen auszulöschen, und mangels besserer Ideen wurde das schließlich getan.

Sofort wurde es sehr kalt im Raum und stetig kälter, eine schneidende, dünne Kälte, wie nicht einmal Sharevi sie je erlebt hatte. Anstelle der steinernen Decke sahen sie jetzt Sterne über sich, Sterne, die nicht funkelten an einem Nachthimmel von tiefstem, glatten Schwarz. Sie riefen Yen-Kinons Namen und in der Schüssel mit der Flüssigkeit entstand schemenhaft das Bild eines Menschen, der eine lange Kutte gehüllt war. Er wandte sich ihnen zu, doch sein Gesicht sahen sie nicht, nur ein Paar rötlicher Augen im Schatten einer Kapuze. Und diese Augen erkannten sie wieder und nannten ihre Namen.

Nach kurzer Klärung der Lage (Yen-Kinon war auf seine alten Tage vielleicht doch etwas vergeßich geworden) sagte das Wesen, der Fluch über Nahenjé hätte sich als schwierigeres, verworreneres und ärgerlicheres Gebilde erwiesen, als er es jemals vermutet hätte. Er würde über geeignete Maßnahmen nachdenken und die Gruppe am ersten Oktober am Schrein der Schlange in MóCaire treffen. Und dann würde man mal sehen.


Das Bild verschwand und der Raum verschwand, und die Abenteurer erwachten an einem kalten grauen Morgen auf einer wohlbekannten Bergwiese. Sie machten sich auf den Weg nach Gaofàr, wo sie am Nachmittag eintrafen -- ziemlich besorgt: Wieviel Zeit war wohl in Jené vergangen? Tage, Monate, Jahre?

Die beruhigende Antwort war: Gar keine Zeit, oder nicht mehr als die wenigen Stunden von Mitternacht bis Morgen.

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12. Gaofàr bis Dea Camh

(18. - 26. 7. 1025 n.K.)

Sie reisten noch am gleichen Tag nach Carden weiter und besuchten dort als erstes Gwyn. Dort nahmen sie ihre Briefe wieder an sich (noch kein Anlaß, die Traueranzeigen zu verschicken) und hechelten die gesamten Geschehnisse durch. Gwyn war eine aufmerksame Zuhörerin. Was die "Andenken" aus Jené anging, speziell die Karte magischer Felder, empfahl sie, diese (wenn sie denn zu Geld gemacht werden müsse) in Tir Magha anzubieten, obwohl möglicherweise auch Brandir MacCanhir in Dea Camh Interesse haben könnte. Brandir, erläuterte Gwyn, war königlicher Hofzauberer (oder wenigstens Zauberer am königlichen Hof) und obendrein ein Junge aus der Gegend, stammte er doch aus dem Clan der MacCanhir vom Loch Aird, nur eine Tagesreise nördlich von Carden.

Dann wurde die Rückreise geplant. Die Abenteurer hatten ein gewisses Interesse daran, die Ländereien des Lords MacAnach zu meiden (ebenso wie die zahlreichen Zollstationen Direachs), so daß Gwyn ihnen empfahl, auf der DalRiada-Straße nach Süden bis zum Hochlandweg zu reisen, und dann auf dem Hochlandweg nach Westen. Lord DalRiada der Reiche, der Krämerfürst, gab sich mit Wegzoll gar nicht ab, lediglich an den Brücken wurde von jenen, deren Auftrag es war, die Brücken in Ordnung zu halten, maßvoller Zoll erhoben.

All das Gerede nahm natürlich eine beträchtliche Zeit in Anspruch, den ganzen Abend, einen Teil der Nacht, und den nächsten Morgen. So war es Mittag, als die Reisenden Carden verließen.

An diesem Tag waren sie etwas sechs Stunden unterwegs, kamen durch Cwent hindurch und kehrten abends im 'Gasthaus am Trollstein' ein, das dort liegt, wo die Direach-Straße von Westen auf die DalRiada-Straße trifft und seinen Namen einem wirklich sehr trollähnlichen Stein (der Legende nach ein versteinerter Troll) direkt vor dem Haus verdankt.

In dem Gasthaus war einiges los -- oder jedenfalls erschienen den Abenteurern die zwei Handvoll Zwerge, Händler, Jäger und Schatzsucher wie das wilde Leben, im Vergleich mit Jené und einsamen Bergen. Essen und Unterkunft waren akzeptabel, nur wollte der Wirt dafür natürlich auch bezahlt werden, und nach dem Begleichen der Zeche begann Thegil zum wiederholten Male, laute Klage zu erheben ob des desolaten Zustands der Reisekasse im allgemeinen und seiner persönlichen im speziellen.

Sharevi, die von dem Getue, das die Leute (sogar der sonst ganz vernünftige Thegil) um dieses 'Geld' machten, immer noch ein wenig befremdet war, konnte es nicht mehr hören. sie wühlte in ihren Taschen, brachte schließlich ein Silberstück zum Vorschein und schob es dem Elfen 'rüber, damit der endlich Ruhe gab.

Der nächste Tag bot nicht eben das beste Reisewetter. Es nieselte und war unangenehm schwül und dabei nicht einmal warm. Die üblichen Reden begleiteten sie, und bei einem Gespräch über den Wert der Feldarbeit zeigte Kojiro mal wieder einen bemerkenswerten Mangel an ökonomischer Weitsicht. Aber das war man ja inzwischen gewöhnt.

Am Abend erreichten sie die kleine Stadt Darn's Fall. Der Wächter am Tor erwies sich allerdings als dermaßen stinkig schlecht gelaunt, daß sie lieber noch ein Stunde weiterliefen und bei einem Bauern übernachteten.

Am Nachmittag des 22. kamen sie nach Taltinach.

Info: Taltinach

Taltinach ist die Hauptstadt des Fürstentums Dal Riada und Sitz des Lords Adeon Dal Riadas des Reichen, auch der 'Krämerfürst' genannt. Die Stadt ist groß für breacische Verhältnisse, sie kommt fast an Dea Camh, die Königsstadt, heran. Dal Riadas Reichtum liegt in den Erzminen und Kohlegruben der Grauen Berge, östlich von Taltinach begründet.

Hier ist das Zentrum der Metallverarbeitung und Schmiedekunst in Meall Breac. Der Falkenkopf, das Zeichen des Herrn von Dal Riada, ist auf einem großen Teil den Eisenwaren in Meall Breac zu finden.

Das Viertel der Schmiede von Taltinach liegt südöstlich der eigentlichen Stadt und ist von einer eignen Mauer umgeben. Insgesamt ist die ganze Stadt recht stark befestigt, mit hohen steinernen Mauern und Türmen.

Vier Straßen führen aus Taltinach heraus: Die DalRiada-Straße kommt von Süden vom Hochlandweg, sie führt nach Norden weiter über Darn's Fall, Cwent und Fann's Brücke, weiter in die Wildnis. Eine Straße führt nach Osten zu den Minen und Kohlegruben, tief ausgefahren und streckenweise mit Schotter oder großen Steinplatten befestigt. Die Straße nach Westen gabelt sich bald. Gradeaus kommt man ins Fürstentum Tanéra, Richtung Süden trifft man zwei Tagesreisen östlich von Dea Camh auf den Hochlandweg. Für Fußgänger und Reiter ist diese Route eine Abkürzung nach Dea Camh, aber weil sie schmal ist und durch schwieriges Gelände führt, kann sie von Karren nicht befahren werden.


Die Abenteurer mochten Taltinach nicht. Schon bevor sie in die Stadt kamen, waren ihnen seltsame Dinge aufgefallen, so ein sonderbar gefärbter Fluß, der, wie die Bauern der Gegend ihnen mitteilten, von den Bergen, wo die Minen waren, herabkam. Hm. Nun ja.

Trotzdem trieb Thegil die berufliche Neugier, sich wenigstens das Schmiedeviertel mal anzusehen, und er war insgesamt recht angetan davon. Genug, um sich einmal bei einem Waffenschmied zu erkundigen, ob der vielleicht einen Gesellen bräuchte (konnte er schon brauchen) und was er einem solchen zahlen würde. Das Angebot betrug 120 Kupferpfennige pro Woche bei freier Kost und Logis -- und wurde auf 150 erhöht, als Thegil sein eigenes Schwert auf den Tisch legte und beiläufig erklärte, das habe er selbst gemacht. Allerdings hatte der Elf zur Zeit wirklich andere Verpflichtungen. Vielleicht, meinte er, käme er später einmal wieder.


Faksal hatte ebenfalls Verpflichtungen, die nicht so direkt mit ihrem Auftrag von Kabat und Mirzarim zu tun hatten (oder?) und erklärte in Taltinach, sie würde ein paar eigene Wege gehen -- aber keine Sorge, sie würde schon wieder da sein, wenn es darum ginge, Bericht zu erstatten (und die Belohnung abzuholen).


Man kaufte noch ein wenig ein und verließ die Stadt zwei Stunden vor Sonnenuntergang, um nach Westen weiterzureisen. Bei einem Bauern wurde übernachtet -- nicht kostenlos, diesmal. Nicht mal billig.

Die Reisenden konsultierten die behelfsmäßige Karte, die Gwyn ihnen gezeichnet hatte. Übermorgen würden sie, wenn alles glattging, auf den Hochlandweg treffen. Aber da war doch noch was...

Sie erinnerten sich an die Ereignisse am Wegkreuz. Ob das ein Nachspiel haben würde? Ihr Wissen über Land und Leute reichte nicht aus, um das abzuschätzen. Und was half's? Sie mußten nach Westen.


Der 23. und der Großteil des 24.Juli verliefen ereignislos. Sie wanderten über Hügel und durch Wälder und bestelltes Land, fanden Wildgemüse und kosteten die ersten Kirschen. Am Abend des 24. führte die schmale Straße auf den Hochlandweg. An dieser Stelle gab es ein Gasthaus, genannt 'Drei Federn', einen Stellmacher, einen Hufschmied, eine königliche Zollstation und eine Handvoll Wachen.

Von denen eine prompt auf Thegil zusteuerte und ihn höflich aufforderte, ihm doch bitte in die Wachstube zu folgen. Hatte man es nicht geahnt? Thegil, so stellte sich heraus, wurde entlang des ganzen Hochlandweges dringend gesucht -- im Auftrag des Deamàr selbst, zum Zwecke der Zeugenaussage in einem schwebenden Prozeß. Kojiro wurde aufgrund seiner (beruflichen) Erfahrungen mit der Gerichtsbarkeit ganz hellgelb, aber Sharevi und Thegil fanden, das alles wäre zwar aufregend, aber kein Grund zur Sorge. Sie bekamen einen Paß, der den Hinweis enthielt, die Träger dieses Passes hätten sich eiligst in Dea Camh einzufinden oder es brenne der Hut, und es jedem Zöllner zwischen den 'Drei Federn' und Dea Camh verbot, die Reisenden aufzuhalten oder gar mit irgendwelchen Geldforderungen zu behelligen.

Das war doch mal was. Dank dieses wertvollen Schriftstückes und dank des trockenen, wenn auch elend schwülen Wetters der folgenden Tage kamen die Abenteurer gut voran und erreichten die Königsstadt am Abend des 26.Juli.

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13. Dea Camh

(27. - 29.7.1025 n.K.)

Info: Dea Camh

Dea Camh, die Königsstadt Meall Breacs, ist die größte Stadt des Landes, Die Königsburg überragt die gesamte Stadtanlage. Sie ist auf einer Klippe gebaut, die steil aus dem Loch Farraigh westlich der Stadt, aufragt. Die soliden Steinmauern der Burg machen den Eindruck, einigen Stürmen gewachsen zu sein.

Östlich der Burg fällt die Klippe sanft zur Ebene hin ab. Hier befindet sich die Oberstadt: gepflasterte Straßen, steinerne Häuser, die wohlhabenden Handwerkern oder Kaufleuten gehören, oder denjenigen unter den Adligen, die sich ein Haus in Dea Camh leisten können oder wollen.

Zwischen der Klippe und dem Hochlandweg liegt die Unterstadt, wo der Großteil der Bevölkerung von Dea Camh lebt. Die Straßen der Unterstadt sind lehmig und die Häuser kleiner. Entlang dem Ufer des Lochs sind Anlegestellen für Fischerkähne.

Jahrhundertelang führte der Hochlandweg am Südtor der Unterstadt vorbei, aber nicht hindurch -- ein Umstand, den Reisende wie auch Wirte und Krämer gleichermaßen bedauerten, denn die Tore Dea Camhs werden bei Sonnenuntergang geschlossen. Das allgemeine Bedauern führte zu einer Stadterweiterung: Entlang des Hochlandweges entstand die Vorstadt, ein Durcheinander von Wirtshäusern und Lagerhäusern, Buden, Zelten, ein paar Gärten, ein paar Bäumen und vielen grasigen oder staubigen (oder schlammigen) Plätzen, Wegen und Trampelpfaden, umgeben von einer Palisade, deren Tore ständig bewacht und Reisenden zu jeder Zeit geöffnet werden.

Wie ungeordnet die Vorstadt auch wirkt: Jeder, der sich hier aufhält, sollte wissen, daß dieser Stadtteil rechtlich als Teil des Hochlandweges betrachtet wird -- und somit hier der Landfrieden gilt...


Die Abenteurer wurden am Tor sofort aufgesammelt und zur Burg hinauf geschickt, hatten ihre Waffen am Burgtor abzugeben (kennt man ja) und kriegten nach einigem Hinundhergerenne eigentlich nicht zuständiger Personen eine Kammer zugewiesen, wo sie erst mal unterkommen konnten. Hier, im äußeren Burgbezirk, wohnte etliches Volk, drei mehr fielen da gar nicht auf.

Ein kompetent wirkender Schreiber klärte sie schließlich auf, was eigentlich Sache war. Die Schleierfrau war von den Wachen am Wegkreuz nach Dea Camh geschickt worden, denn der Hochlandweg untersteht nicht irgendeinem Baron, sondern dem König, und einzig und allein dieser hat über irgendwelche Untaten auf der Straße (merke: Wegkreuz ist Straße!) zu richten. Die Verhandlung war, nachdem die Nachricht vom Auftauchen der Zeugen den Deamàr erreicht hatte, für den 28.Juli angesetzt worden.


Sharevi organisierte aus der Küche was zu futtern, dann überlegten sie sich ihre Strategie. Sie gingen noch einmal durch, an was sie sich erinnerten, erfanden "gute Gründe" für ihre unbegründeten Handlungen, rätselten einmal mehr über die Motive von Schleierleuten und Händlern mit (angeblich) verhexten Pferden herum, spekulierten darüber, was für eine Art von Prozeß das hier wohl sein mochte, ob sie selber in Schwierigkeiten waren und wenn ja, was sie dagegen tun könnten. Es lief immer wieder daraus hinaus: Sie wußten zu wenig. Und so entschlossen sie sich, die Dinge genau so zu erzählen, wie sie sie gesehen und gehört hatten.

Bis auf das mit dem Städte plündern natürlich.


Alle Sorge war kein Grund, den 27. nicht praktisch zu nutzen. Sie liehen sich Schreibzeug und Kojiro, der zur allgemeinen Überraschung genauer und sorgfältiger zeichnen konnte als Thegil, kopierte die Karten ein paar Mal. Dann wurde Nachricht an Brandir Mac Canhir geschickt, man hätte da etwas, das ihn interessieren könnte.

Den Nachmittag über trieben sie sich in der Stadt herum, klönten mit Leuten und tranken Bier.

Als sie abends zur Burg zurückkamen, fanden sie einen Zettel an der Tür ihrer Kammer: Brandir MacCanhirs Lehrling war da gewesen, hatte sie aber nicht angetroffen. Er würde morgen vor der Verhandlung noch mal vorbeikommen.


Am 28. standen sie früh auf, wuschen sich und kauten dann nervös auf ihren Fingernägeln herum. Der Zauberlehrling kam und fragte, ob er das interessante Objekt (die Linienkarte) ausleihen könnte, sein Meister hätte Interesse, wollte das Objekt aber erst mal in Augenschein nehmen. Der Lehrling, Kerwin, kannte den Namen Jené aus Legenden und war angemessen beeindruckt. Die Abenteurer fragten ihn natürlich wegen des Prozesses und der Schleierfrau aus. Kerwin erwies sich als gut auf dem Laufenden, was Burgtratsch anging, und hatte auch von der Sache mit der Unterschrift gehört.

"Beannchar hat die 'Unterschrift' gelesen", erzählte er, "und hat ganz harmlos nach der Abschrift gefragt."
Thegil: "Und, was war mit der Abschrift, ist die nicht angekommen?"
"Hmpf! Wenn die angekommen wäre, wärt ihr nicht hier!"
"Soso", murmelte Thegil, und Kerwin verabschiedete sich.

Anschließend sprachen sie noch einmal mit dem Schreiber, der mit dem Protokoll vertraut war und Kojiros Befürchtungen halbwegs zerstreute. Anschließend mußte Thegil Sharevi erklären, was denn eine 'peinliche Befragung' wäre ("so'n Orkkram"), und die Nordländerin schüttelte sich und staunte, daß der Schreiber nicht wütend auf Kojiro geworden war: Menschen "Orkkram" zu unterstellen, war ja wohl das letzte, das kriegte auch wieder nur Kojiro hin!


Endlich war die nervige Warterei vorbei, eine Wache erschien und geleitete die drei zum Gerichtssaal, der in einem oberen Stockwerk lag. An allen Türen und anderen strategisch wichtigen Orten standen Wachen der königlichen Garde und machten grimmige Gesichter. Auf den Bänken hinten im Raum hockten einige Zuschauer. Auf der Zeugenbank neben sich sahen sie den Wachhauptmann vom Wegkreuz und den Schreiber. Der Händler war ebenfalls da. Die Angeklagte wurde von zwei Gardisten bewacht, die doppelt so breit waren wie sie, machte einen ziemlich abgerissenen Eindruck und kriegte es irgendwie hin, trotzdem schön und ziemlich wild auszusehen.

Dann erschien (alles aufstehen) der Deamàr in voller Montur, begleitet von zwei Ratgebern: einer sehr schönen Frau (der Königin) und einem alten Druiden.

Der König kam gleich zur Sache: Was sei nun mit dieser Abschrift?

Thegil antwortete vorsichtig, er, des Tai Breaca nur unzureichend kundig, habe mit Einverständnis des Wachhauptmanns seine Aussage zu den Vorfällen am Wegkreuz noch einmal auf Hochelfisch niedergeschrieben und dieses Schriftstück dem vom Schreiber erstellten Protokoll beigefügt, da er seinem Tai Breaca nicht weit genug traute und nicht sicher war, die Ereignisse in dieser fremden Sprache richtig beschrieben zu haben. Nach elfischer Kanzleigewohnheit habe er die Existenz eines zweiten Blattes eigenhändig auf dem ersten vermerkt, ehe er seine Unterschrift darunter setzte...

Ah so. Ja. Sehr vorauschauend. Ob er denn seine Aussage noch einmal wiederholen könnte, so, wie er sie am Wegkreuz gemacht und in Hochelfisch aufgeschrieben hätte -- auf Hochelfisch, wenn's denn sein müsse, man habe einen Übersetzer.

Also erzählte Thegil langsam und genau, was er am Wegkreuz beobachtet hatte, von dem Moment an, wo er die Schleierfrau das erste Mal sah bis zu dem Zeitpunkt, wo er durch Sharevis kleinen 'Großmuttertrick' mitten im Geschehen einschlief.

Und dies sei die Geschichte, die er auf der Wachstation am Wegkreuz zu Protokoll gegeben habe.

Ja. Oder natürlich, ja, soweit er wisse, da ja seine Sprachkenntnisse...

Spräche nicht einer seiner Freunde genug Tai Breaca, um sich dazu zu äußern?

Sharevi konnte bestätigen, daß Thegil genau das erzählt hatte.

Der Händler erhob Protest, das sei die Aussage von Landfremden, Lumpenpack, umherziehenden Gesindel, wer wisse, bei wem die Loyalität solcher Leute liege...

Ruhe im Saal!

Das Gericht stellte Thegil ziemlich schnell hintereinander ziemlich viele Fragen, und der Elf war froh, daß er sich nicht an irgendeine erfundene Geschichte halten mußte -- es nahm schon seine ganze Geistesgegenwart in Anspruch, diplomatisch zu bleiben und eben nicht zu sagen, was seiner Ansicht nach wirklich mit seiner Aussage passiert war! Um so mehr, da der König genau die gleiche Vermutung zu haben schien.

Wie sich im weiteren Verlauf der Verhandlung ergab, war die "Abschrift" nie in Dea Camh aufgetaucht, und, wie merkwürdig, die Geschichte in Thegils Protokoll stimmte in entscheidenden Punkten nicht mit der soeben gehörten überein, sondern entsprach eher der Geschichte des Händlers, wonach die Angeklagte, als sie zur Untersuchung des Vorwurfes der Hexerei festgenommen werden sollte, sich der Staatsgewalt widersetzt und begonen hatte, wahllos Zivilisten abzustechen.

Schluck, dachte Thegil. Ich hab's vermutet, aber geglaubt habe ich's irgendwie nicht.

Und warum er dieses verdammte Protokoll überhaupt unterschrieben hätte, wenn es offensichtlich nicht mit dem übereinstimmte, was er gesehen hatte? Er hätte es sich ja vorlesen lassen können!

Das hätte er getan... und das, was ihm vorgelesen wurde, hatte sich hinreichend wie das angehört, was er gesagt habe... Genauso. In den wichtigen Punkten.

Der Hauptmann der Wache hatte sich inzwischen in interessanten Tönen verfärbt, und der Schreiber hatte die Farbe des Putzes an der Wand angenommen.

Wie, bitte, erklärten sie sich diesen sonderbaren Widerspruch?

Der Schreiber versuchte eisern zu leugnen, aber die verschwundene Abschrift, ihren Inhalt und den Grund ihres Verschwindens kriegte er einfach nicht wegerklärt, und schließlich gingen ihm die Nerven durch und er jammerte, er habe doch nur auf Befehl gehandelt!

Der Hauptmann, der jetzt den schwarzen Peter hatte, verzog sich auf die Argumentationslinie, schließlich sei doch wohl Ron ap Tirin, einem angesehenen Bürger Dea Camhs, einem unbescholtenen Untertan seiner Majestät, mehr zu trauen als einer Rotte Fahrender... Nun gut, er sei vielleicht übereifrig gewesen, ja, es wäre wohl eher sein Job gewesen, die Aussagen aufzunehmen und weiterzuleiten und seine Majestät selbst über die Glaubwürdigkeit von treuen Untertanen und landfremdem Gesocks entscheiden zu lassen, aber seine Majestät habe doch besseres zu tun als... äh, jedenfalls habe er, Robin Mac Fiacail, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Soso.

Seine Majestät, das war nicht zu übersehen, wurde allmählich stinkig.

Ron ap Tirin (das war der Händler). Was hast du dazu zu sagen?

Nichts, erwies sich, was er nicht schon gesagt hätte, gewürzt mit längeren Ausschweifungen über die generelle Niedertracht von Schleierleuten im speziellen und landfremdem Gesocks im allgemeinen.

Woraufhin die seltsame Frage kam, ob er Rogan Mac Carn kannte.

Nein, äh, den Namen hatte er gehört, aber... nein, ihn nie gesehen, kannte auch nicht seinen Aufenthaltsort, hatte nichts mit ihm zu tun, nie gehabt, und blieb dabei.

Dieser Punkt schien wichtig zu sein oder dem König zumindest am Herzen zu liegen, und das "landfremde Gesocks" wartete vergeblich auf irgendeine Erklärung, wer oder was denn dieser Rogan Mac Carn war.


Es gab noch einiges Gerede, der König, merkte man, hatte es nicht gerne, verarscht zu werden, und auch nicht, wenn irgendwer versuchte, auf einer Straße, die unter Landfrieden stand, Leute lynchen zu lassen, Landfremde hin, Schleierleute her. Gegen Mittag fällte er sein Urteil:

Der Schreiber wurde an die Grenze zum Rake versetzt, wo er nicht viel anrichten konnte. Der Hauptmann, der es verdammt noch mal besser hätte wissen müssen, flog raus, und Ron ap Tirin, der am Wegkreuz einen Aufruhr vom Zaun und den Landfrieden gebrochen hatte, wurde für vogelfrei erklärt und erhielt eine Woche Zeit, das Land zu verlassen. Die Schleierfrau, Jin, sollte auf der Stelle freigelassen werden. Und so geschah es auch.


"Saubere Arbeit!" gratulierte einer der Zuschauer den Abenteurern, als sie den Saal verließen. Moment. Kannten sie den? Irgendwo hatten sie den schon mal gesehen, aber da hatte er ein kleines bißchen anders ausgesehen... Klar, der Typ hatte sie doch vor einem Monat aus dem Kerker der Burg MacAnach geholt...

"Ganz richtig! Darf ich mich vorstellen, Beannchar ist mein Name. Ich bin hier der Hofnarr."

Beannchar war mit dem Verlauf des Prozesses hochzufrieden, vor allem weil er, wie er ominös bemerkte, Rogan Mac Carn auch nicht leiden konnte. Er lud die Abenteurer auf ein Bier ein, und zusammen mit zwei Freunden von ihm,der Topfheilerin Màrta ni Braen und dem Advokaten Traigan Mac Cador, ließ man es sich den Rest des Tages im Biergarten "Zum Westwind" in der Vorstadt gut gehen, klönte und tauschte Geschichten aus.

"Habt ihr eigentlich schon einen Platz zum schlafen?" fragte Beannchar irgendwann.

Nein, eigentlich nicht. Und Geld, äh, naja...

Woraufhin Beannchar meinte, er hätte da eine gute Adresse für das werte landfremde Gesindel.

Er führte sie zu einem großen Haus in der Vorstadt, offenbar ein umgebautes Lagerhaus mit einem ummauerten Hof. Dies, erfuhren die Abenteurer, sei das "Haus des fahrenden Volkes" (beziehungsweise die dea-camh'sche Luxusvariante), wo jeder "Fahrende" kostenlos unterkommen, sich und seine Wäsche waschen, Kram zwischenlagern und die Krempelkammern nach brauchbarem Zeug durchwühlen konnte. Spenden und Unkostenbeiträge von Seiten zahlungsfähiger Leute waren natürlich gerne gesehen und notwendig -- schon weil sonst die alte Cwen "Küchenarmut" verkündete und Osric Einbein den Weinkeller zusperrte.

Info: Das Haus des Fahrenden Volkes in Dea Camh

Die "Häuser des fahrenden Volkes" sind eine relativ alte Einrichtung, das Gebäude, in dem sich das Haus von Dea Camh heute befindet, ist allerdings eine großzügige Schenkung eines vor hundertfünfzig Jahren regierenden Königs. Das Haus selbst ist tatsächlich ein ehemaliges Lagerhaus von beträchtlicher Grundfläche. Die Außenmauern sind aus Stein gebaut und verputzt.

Man betritt das Haus von der Nordseite, wo ein großes Tor (mit einer kleinen Tür drin, die Tag und Nacht unverschlossen ist) auf die Straße führt. Hinter diesem Tor liegt die Halle. An ihrem Südende ist ein weiteres Tor, das zum Garten hin geht. Links und Rechts von der Halle gehen die Wohn- Schlaf- und Aufenthaltsräume ab, im oberen Stockwerk auf eine Galerie.

Das Haus verfügt über einen Hof, einen Stall, einen Garten (mit Gemüsegarten, den Cwen und Osric zu ihrem eigenen Nutzen unterhalten), Küche und Keller und Platz genug für eine Menge Leute.

Außer Cwen und Osric beherbergt das Haus allerlei Getier, so eine Kuh, ein paar Hühner, zwei Hunde, zahlreiche Katzen, einen Affen der klaut wie ein Rabe, und einen sprechenden Papagei, der vor allem Seefahrerflüche kennt und Cwen "Admiral" nennt. (Osric nennt er "mein Süßer".)

Die Hausregeln sind einfach:

  1. Räum dein eigenes Zeug auf
  2. Du sollst nicht nerven
  3. Du sollst dich nicht erwischen lassen.

Wer sich an diese Regeln hält, etwas Geld rüberwachsen läßt, wenn er was hat und gelegentlich kocht oder abwäscht, kommt hier mit allen Leuten gut aus.


Die Abenteurer waren hellauf begeistert und verbrachten den ganzen folgenden Tag dort, während sie versuchten, sich über ihr weiteres Vorgehen klar zu werden. Sicher hatte ihre Aussage bei diesem Prozeß ihnen einige Feinde gemacht, und bei dem Gedanken, wie sie vielleicht am Wegkreuz empfangen werden würden, wurde ihnen unbehaglich. Osric riet ihnen, auf dem Hochlandweg zu bleiben, das sei allemal sicherer als irgendwelche Touren durchs Hinterland.

Faksal tauchte wieder auf, sie hatte auf dem Hochlandweg Gerüchte gehört und einen Zahn zugelegt. Sie wurde schnell auf den neuesten Stand gebracht.

Am Abend spekulierte man über den "Hofnarren". Er hatte von "vor fünfhundert Jahren in Jené" geredet, als wäre er dagewesen, und anschließend bestritten, etwas von Jené zu wissen, das sei nur so eine Redensart. Er hatte nicht bestritten, diejenige des Hochelfischen kundige Person zu sein, die den Deamàr auf die Bedeutung dieses "endlosen elfischen Namens" aufmerksam gemacht hatte. Sie waren so gewöhnt an Rätsel, daß sie ihn kurzerhand zu einem solchen erklärten und sich damit in guter Gesellschaft befanden.

Am Morgen des 30. Juli verließen sie Dea Camh.

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14. Das Ende der Reise

(30.7. - 12.8.1025 n.K.)

Allen Befürchtungen zum Trotz verlief die Rückreise nahezu ereignislos. Am Wegkreuz schien niemand in der Stimmung, irgendwelche "alten Geschichten" noch einmal aufzurühren. In den Dörfern spürten sie manchmal Blicke in ihrem Rücken, doch sie kamen unbeschadet bis nach Morfran.

Mirzarim war sehr erfreut sie wiederzusehen und hoch interessiert an ihrem Bericht. Er fragte wieder und wieder nach und wollte alles ganz ganau wissen -- vor allem alles über Jené. Orveg, konnte er erzählen, sei vor fast vierhundert Jahren in Kyla gestorben. Die Abenteurer hatten durch die Gespräche in Jené (vor allem mit Marja und Rufus) ihre eigene Vorstellung darüber, wie Magie funktionierte und gaben einige höchst unorthodoxe Vermutungen von sich. ("Wahrscheinlich schwebt der Turm von Jené durch mittels Zeitreise selbsterschaffene Möglichkeitsdimensionen und teilmanifestiert sich in Vollmondnächten dank des Volksglaubens...")

Sie redeten eine ganze Nacht durch. Anschließend quartierte Mirzarim sie in der "Blauen Katze" ein (leider war Romelé nicht da). Mirzarim zahlte dafür. Er erstellte auch eine obskure "Reise- und Lohnkostenabrechnung" und zahlte ihnen 22ss, womit sie, nach all der Pfennigknapserei der letzten Wochen, recht zufrieden waren.

Sie schliefen sich aus und brachen dann auf zur allerletzten Etappe der Reise (vorerst): Nach Haethcyn. Dort hatten sie ja schließlich auch noch einen Auftraggeber.

Akem Kabat war längst nicht so begeistert von magischen Türmen am andern Ende des Landes wie Mirzarim: er hätte die Gruppe angeheuert, um einen Brief nach Nahenjé zu bringen, und nicht um quer durchs ganze Land einer Mondscheingeschichte nachzujagen! Naja, immerhin hatte sie den Brief zugestellt und Nachricht gebracht, wenn auch schlechte, und so kramte Kabat knurrend den versprochenen Lohn aus der Tasche. Was allerdings irgendwelche angeblich nötigen Verabredungen mit irgendwelchen alten Hexern anginge, so würde er frühestens dann etwas bezahlen, wenn sich diese Verrücktheit wider Erwarten doch als nützlich erweisen würde!

So kann's gehen. Sie machten das Haethcyner "Haus des fahrenden Volkes" ausfindig, dessen Meister ein Ostländer names Sangahyando war, und quartierten sich dort ein um das Geld zu "verjubeln", ein paar von den Sachen zu lernen, die sie unterwegs gerne gekonnt hätten, und zu warten: auf den Herbst, und ihre Verabredung mit Yen-Kinon.

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Ende


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