Rollenspielseite (Deutsch)
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Date: Mon, 10 Sep 2001 13:38:32 +0200
From: Ingeborg Denner
Newsgroups: de.rec.spiele.rpg.misc
Subject: Re: allgemeine sl-tips gesucht (long!!)

Jens Koehler wrote:

vielleicht kann ja auch jemand von euch ein paar tips geben? wäre sehr nett :)

OK... du hast es so gewollt <g>

mal ein paar Sachen wie sie mir so einfallen. Alles Erfahrungen aus meinen Runden -- muß nicht für jeden gelten oder klappen. Und es ist furchtbar lang geworden :-/.

A. Die Spielrunde

1. Es gibt da etwas, das schimpft sich 'Player Contract' oder 'Spielvertrag'. Das ist kein aufgesetztes Schriftstück, sondern eine wie-auch-immer getroffene Übereinkunft zwischen allen Beteiligten der Spielrunde, was und wie man spielen möchte. Dazu gehört z.B. wie leicht ein Charakter draufgeht, welches Maß an asozialem Verhalten zwischen Charakteren geduldet wird, wann Regelprobleme diskutiert werden, wie mit 'Extratouren' umgegangen wird, ob man offen oder verdeckt würfelt, und eine ganze Menge anderer Kleinkram. Viele Probleme in Spielrunden entstehen aus unterschiedlichen Grundannahmen über solchen Dinge.

2. Versuche nie, Metagameprobleme in-game zu klären. Wenn zwei Spieler Probleme miteinander haben, wenn jemand ein Munchkin oder Powergamer ist, wenn irgendjemand immer fehlt, ohne abzusagen, hat das nichts mit den Charakteren zu tun, sondern mit den Spielern.

3. Der Spielleiter sollte jederzeit das Recht haben, einen Time-out zu nehmen.

4. Es wird oft empfohlen, für stimmungsvollen Hintergrund oder Musik zu sorgen. Meine Erfahrungen dazu sind gemischt. Eine 'laute' Runde redet über Hintergrundmusik weg und hebt nur den allgemeinen Geräuschpegel. Ein SpL, der stäendig in seiner CD-Sammlung kramt, nervt. Der SpL ist kein Dekorateur. Wenn Musik euch hilft, gut, wenn du den Raum dekorieren willst/kannst, klasse. Ich spiele am liebsten in Räumen, wo es ruhig ist und nichts rumliegt, was ablenkt.

5. Selbst wenn alle Spieler spielunrelevantes Zeug reden, ist niemand glücklich damit. Der SpL sollte das Recht haben, von ihnen zu verlangen, damit aufzuhören, und sollte sich gar nie nicht an spielunrelevanten Diskussionen beteiligen, sonst kommt das Spiel überhaupt nicht in die Gänge.

6. Spieler kriegen Hunger. Überlegt euch vorher: Wird gekocht? (kostet Zeit vorher). Wird bestellt? (Teuer, stört den Spielfluß). Gibt's belegte Brote? Oder nur Knabberkram? (kann die Stimmung stören.)

6a. Spielleiter kriegen einen Mordshunger, geistige Arbeit ist Schlauch. Plane vor ;-)

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B. Charakterhintergrund

1. Es hat sich als extrem nützlich erwiesen, schon bei der Charaktererschaffung dafür zu sorgen, daß die Charaktere eine Motivation haben, zusammenzubleiben. Viele Spieler finden, daß es ihre Fähigkeit, vor dem Frühstuck drei unmögliche Sachen zu glauben, überfordert, wenn sie ständig Gründe dafür finden müssen, warum ihr edler Ritter mit einer Bande von Halsabschneidern herumhängt oder so was.

2. Viele Rollenspielratgeber legen großen Wert auf einen ausgearbeiteten Hintergrund der Charaktere. Ich halte das für eine nette Idee für erfahrene Spieler, die Übung darin haben, Charaktere in Gruppen zu integrieren, aber für eine schlechte für Anfänger. Charakterhintergrund kann dazu führen, daß die Gruppe zerfällt, ehe sie angefangen hat, weil jeder seinen eigenen, logischen Weg geht. Die Spieler, die den Charakter für alle Möglichkeiten offenhalten wollen, kommen an mit 'Orks haben mein Dorf zerstört und ich bin der einzige Überlebende' (gähn), während Powergamer erzählen, ihre Charaktere seien von einem geheimen Ninja-Kult aufgezogen worden, mit 14 zu den Special Forces gegangen und mit 19 hätten sie einem alten Kerl das Leben gerettet, der entweder ein Erzmagier oder eine verkleidete Gottheit war... :-)

3. Außerdem sollten die Charaktere eine Motivation haben, auf Abenteuer zu gehen. Neugier oder Geldgier sind gut genug, aber ein Charakter, dessen Lebensziel es ist, ehrlicher Kartoffelbauer zu werden, läuft meistens nicht besonders gut.

4. Manche Leute haben zu viele Clint-Eastwood Filme gesehen und konstruieren wunderschöne wortkarger-einsamer-Wolf-Konzepte. Die funktionieren IME fast nie, weil Rollenspiel es erfordert zu reden, um am Spiel teilzunehmen, und ein Gruppenspiel ist. Wenn solche Konzepte kommen, überzeuge die Spieler, sie ein bißchen zu modifizieren.

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C. Spielleiten

1. Jede Gruppe will etwas anderes, und der Job des SpL ist es, IMO, es ihnen zu geben -- ansonsten könnte man auch Computerspiele spielen. Gehe nicht zu sehr gegen das, was die Spieler wollen.

2. Lerne die Regeln.

3. Spiele ein paar Kämpfe durch, damit du ein Gefühl für Ablauf, Management und Gefährlichkeit bekommst.

4. Gleiches mit Magieduellen, falls sie im Spielsystem vorkommen.

5. Erlaube keine Zusatzregeln, die du nicht kennst, außer, du vertraust dem entsprechenden Spieler 100%, sich damit nicht asozial aufzuführen.

6. Du brauchst Worte, um Sachen zu beschreiben. Übe, Worte zu haben. Wenn du etwas interessantes siehst, mach eine kurze Pause und faß es in Worte.

7. Trainiere, Szenen zu visualisieren. Alles, wovon du dir ein Bild machen kannst, brauchst du nicht in deinen Vorbereitungen zu notieren.

8. Beschreibungen: Länger ist nicht besser. Der verbreitete Tip, wort- und stimmungsreiche Beschreibungen von Szenen etc. zu geben, nützt nur, wenn man's kann und die Geduld der Spieler nicht überfordert. Knapp ist im Zweifelsfall besser als Zuschwallen.

9. Ich gehe meistens in Gedanken durch das ganze Szenario, gucke links und rechts, tatsche alles an und unterhalte mich mit den NPCs, um vertraut genug damit zu werden, wie alles aussieht und reagiert, und was abseits des 'Hauptpfades' ist.

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D. Abenteuerkonstruktion

1. Die Charaktere brauchen eine Motivation, in das Abenteuer zu gehen. Geld ist nicht immer die beste. Was die beste Motivation ist, hängt von der Gruppe ab. Sei nicht zu großzügig mit Erfahrungspunkten, Schätzen und magischen Gegenständen. Es ist besser, sie am Anfang kurzzuhalten und dann zu steigern, als eine 'Materialschlacht' aufzuhalten.

2. Um mit Charakteren, die überall hingehen, nur nicht dahin, wo das Abenteuer stattfinden soll, umzugehen, gibt es folgende Möglichkeiten.

a) egal wohin sie gehen, das Abenteuer ist da (jeder Weg führt zu dem verwunschenen Wirtshaus)
b) sie können nirgendwo anders hin (einsame Insel, lost in Space)
c) das Abenteuer kommt zu ihnen.
d) die Spieler 'schieben' ein bißchen, damit die Chars dahin gehen, wo sie hin sollen.
e) sie können gehen wohin sie wollen, aber der Rest der Welt ist fade.
f) sie können gehen wohin sie wollen, Abenteuer gibt es überall.
Offensichtlich verlangen e und f, daß du deine Welt gut kennst.

3. Erwarte nie, daß die Charaktere etwas bestimmtes tun oder nicht tun werden. Das macht z.B. die meisten Filmplots schlecht als Rollenspielhandlungen, da sie stark davon abhängen, daß jemand zur richtigen Zeit das richtige tut. Ein gutes Rollenspielabenteuer muß flexibel sein und viele verschiedene Lösungen haben.

4. Fortgeschrittene Abenteuerkonstruktion: Denke daran, daß auch im Abenteuer Zeit vergeht, daß Sachen auch dann passieren, wenn die Charaktere nicht da sind, daß jede Handlung auch/gerade der Charaktere Folgen hat, daß sich Situationen verändern und NPCs auf veränderte Situationen reagieren...

5. Seitengassen, Wirtshäuser, Friedhöfe, Bauern, ... die nicht spielrelevant sind, sind alle ziemlich gleich. Überlege dir einen 'Prototyp': Wenn die Charaktere irgendwohin gehen, wo nichts interessantes ist, treffen sie nur auf 'Prototypen'. Könntest du eine finstere Gasse von der nächsten unterscheiden? Sie haben alle Ratten, Mülleimer, Pfützen, und vielleicht einen Penner, einen Strauchdieb oder einen toten Hund. Mehr Varietät an unwichtigen Orten macht man nur, wenn man Lust dazu hat.

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E. Handlungen der Charaktere

1. Jede Handlung hat Folgen, und jede Handlung kostet Zeit. (Wenn z.B. der Magier die ganze Nacht den Schankmädchen nachstellt, ist er am Morgen wahrscheinlich tranig und unkonzentriert.)

2. Wenn ein Charakter aus guten (Charakter-)Gründen längere Zeit nicht beim Rest der Gruppe ist, kann es helfen, dem Spieler einen NPC zu geben oder einen Zweitcharakter machen zu lassen. Wenn Spieler Extratouren machen, um zusätzliche Aufmerksamkeit zu bekommen, handle ihre Extratouren kurz ab. (Kurz abhandeln ist generell sinnvoll für Extratouren -- der Rest der Runde wartet schließlich.) Eine andere Möglichkeit, mit Extratouren umzugehen, ist, sie mit dem entsprechenden Spieler solo oder per e-mail auszuspielen.

3. Munchkins und Powergamer sind der Schrecken jeder Spielrunde. Sie kommen in zwei häufigen Typen vor:
    a) Der klassische Powergamer, für den ein möglichst starker Charakter Spielziel ist. Vielleicht hatte er auch einen harten Tag in der Arbeit und will abends beim Spielen gründlich auf den Putz hauen. Probleme treten erst dann auf, wenn der Rest der Runde etwas anderes will. Es gibt Systeme, die gegenüber dieser Art von Powergaming sehr resistent sind (Cyberpunk 2020, AD&D).
    b) "Angstbeißer"-Munchkins, Spieler, die so eine Angst davor haben, daß jemand ihnen/ihren Charakteren (diese Trennung ist bei Munchkins/Powergamern oft unzureichend) wehtut oder daß sie irgendwie zu kurz kommen, daß sie nicht zufrieden sind, bis sie Superman persönlich umhauen können, ohne dabei auch nur eine blutige Nase zu kriegen. Wenn du solche Spieler in der Runde hast, hilft es oft mehr, ihr Vertrauen in deine Welt aufzubauen, oder erstmal sehr Low-Power und/oder Komödien zu spielen (ihr seid alle kleine Kinder/Plüschtiere/Kanninchen), wo niemand ihnen wehtut, oder den Spielern gut zuzureden, als fies zu werden.
   Generell gibt es zum 'Runterschrauben' von Munchkins und Powergamern die Methode, Kampagnen zu machen, wo ihre Superkräfte ins Leere laufen (also z.B. keine Kämpfe). Und/oder man kann die Auswirkungen des Charakterverhaltens auf die Welt voll auspielen, aber das fällt schon unter 'scharfe Geschütze' und führt meistens dazu, daß man sich seine Abenteuer von dem Munchkin diktieren läßt.
Im Zweifelsfall ist es immer besser, eine Methode zu finden, mit den Spielern zu spielen anstatt gegen sie.

4. Wie schon gesagt, sollte jedes Abenteuer viele Lösungen haben. Wenn die Charaktere Hinweis A nicht finden, finden sie eben Hinweis B. So kann man sie auf die richtige Fährte zurückbringen.

5. Ein ambitionierterer Ansatz ist, 'die Welt ist ein Abenteuer'. Wenn die Chars z.B. die Spur der entführten Prinzessin verlieren, stoßen sie statt dessen auf ein Spukhaus. Wenn sie daraus fliehen, werden sie von Räubern überfallen...

6. Viele Spieler werden zum Tier, wenn sie auch nur in geringstem Maße die Kontrolle über die Charaktere verlieren. Wenn dein Abenteuer beinhaltet, daß die Chars gefangengenommen, gezwungen, überredet, manipuliert, behext oder sonstwas werden, rechne damit, daß es schiefgeht, wenn du nicht Spieler hast, die sich darauf einlassen. Ich habe Charaktere erlebt, die von einem NPC damit erpreßt wurden, daß er sie vergiftet hatte und ihnen das Gegengift nur gab, wenn... Sie haben den Typen umgelegt, sie waren so sauer, daß ihnen die Konsequenzen schnurz waren. Egal ob Fürsten oder Auftraggeber, NPCs, die Charaktere umherschubsen oder auch nur verlangen, daß sie sich benehmen, bringen in vielen Spielern den Vierjährigen (mitten in der Trotzphase) hervor.

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F. Spielleiterfortbildung

Cartoons über Rollenspiele/Rollenspieler. Beruhen i.A. auf wahren Geschichten und geben eine guten Einblick in 'was alles in die Hose geht'. Eine spielbare Alternative zu erfinden, bleibt den jeweiligen Spielleitern selber überlassen...

"Robin's Law of Good Game Mastering" von Steve Jackson Games wendet sich an Leute, die schon etwas Erfahrung im Spielleiten haben und bringt ein paar Punkte, die man noch nicht überall gehört hat, über Spielertypen, was sie wollen und wie man es ihnen gibt, Abenteuerstruktur, Fokus, Improvisation und etliche andere nützliche Dinge.

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G. allgemeines

Don't panic. <G>

inge

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I used to drive a Heisenbergmobile, but every time I looked at the speedometer, I got lost.


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