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Date: Mon, 28 Apr 2003 12:25:43 +0200
From: Ingeborg Denner
Newsgroups: de.rec.spiele.rpg.misc
Subject: Re: Timing (länglich)

 

Ingo Heinscher wrote:

"Ja, das ist ein Con-Abenteuer, das kriegen wir in sechs Stunden durch."
"Hm, okay, heute haben wirs nicht ganz zu Ende gekriegt, wenn wir uns nochmal treffen, sollte das aber kein Thema sein..."
"Nur noch diese eine Sitzung!"

Kennt Ihr doch auch, oder?

Wie kann man das Timing exakt einschätzen, wie baut man ein Szenario, das auch wirklich in den gegebenen Zeitrahmen paßt?

Ich rechne den Zeitrahmen aus und zerlege das Abenteuer in Blöcke, die bis zu einem bestimmten Punkt fertig werden müssen. Wenn sie zu schnell durchlaufen, polstere ich den Block mit einem neuen NPC, einer Nebenhandlung, einer etwas schwierigeren Situation auf. Wenn sie drohen, länger zu dauern, schneide ich sie ab, entweder, indem ich etwas passieren lasse (der Gegner greift an), oder etwas gelingen lasse (du findest das Geheimfach), oder den Erzählfluß anziehe (nach drei Tagen erreicht ihr...).

Auf keinen Fall wird Zeit von einem Block in einen anderen übertragen -- wie jeder Softwareentwickler weiß, ist das der Anfang vom Ende ;-)!

Ich habe inzwischen festgestellt, daß diese Methode noch ein paar andere Vorzüge hat, außer dem, rechtzeitig fertig zu werden. Erstens ist es ein Nebeneffekt dieser Planung, daß man sein Abenteuer nicht nur in- und auswendig, sondern auch noch in allen Zusammenhängen und einigen Varianten kennt. Zweitens entgeht man der Versuchung, Zeit zu schinden, weil einem gerade nichts einfällt. Drittens führt die Aufmerksamkeit für Zeitverläufe dazu, daß man "Totlaufphasen" erkennt und kontern kann, ehe die Spieler sich langweilen oder anfangen, herumzualbern.

Natürlich braucht man ein gewisses Maß an Erfahrung, was die großen Zeitschlucker sind. In den meisten Systemen sind das Kämpfe, und wieviel Zeit die schlucken, steigt mindestens proportional mit der Anzahl der Beteiligten. Bei den Systemen, die ich auf Cons leite, weiß ich das meistens.

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Beispielplanung (Für Cons, deswegen sehr detailliert):

Wenn z.B. um 1/2 1 Schluß ist, will ich um 12 fertig sein, damit alle noch zusammenpacken und etwas ratschen können, und damit wir etwas "Reserve" haben, falls doch mal was länger dauert. Der Kampf, den ich als dramatischen Schlußpunkt vorhabe, wird mit der Anzahl Spieler, die ich nehme, eine Stunde dauern (Erfahrungswert). Also muß ich um 11 damit anfangen. (Ja, ich habe eine Uhr in Sichtweite. Unauffällig.) Vorher müssen die Spieler eine Gelegenheit zum Pläneschmieden kriegen. Dafür gebe ich ihnen eine halbe Stunde. Wenn sie länger brauchen, werden sie entdeckt, und der Kampf geht los, bevor sie fertig geplant haben, ihr Pech. Pläne schmieden können sie, sobald sie die Festung der Bösen erreicht haben. Die erreichen sie also um 1/2 11.

Dann von der anderen Seite: Die Spielschicht beginnt um 5. Um 1/2 6 sind wahrscheinlich alle da. Charaktere auswählen bzw. durchgucken, evt. modifizieren und genehmigen, Systemanfängern die Regeln erklären -- das überlappt mit der üblichen Verspätung (die erfahrenen Leute kommen eher zu spät). Alles in allem werden wir wohl um 6 anfangen.

Das läßt 4 1/2 Stunden für das Abenteuer bis zum Beginn des Showdowns. Die Zeit teile ich in zwei Blöcke zu je (gut) zwei Stunden auf, mit einer Zigaretten/Futterhol-Pause dazwischen. Am Ende des ersten Blocks sollen sie wissen, wer der Gegner ist, wo er sitzt, was sie mit ihm vorhaben, und worum es überhaupt geht. (Ein böser Zauberer, in einer Höhlenburg in einem Abgrund, umbringen und seinen Schatz stehlen, im Auftrag des Königs das Land vor dem Zauberer zu retten.). Eine normale Planung für den 1. Block wäre: 1/2 h Auftragstrigger und Kennenlernen der Charaktere, 1 h unterschiedliche Begegnungen, Reisen, Info, Interaktion, 1/2 h Actionphase. Nach der Zigarettenpause können sie dann die Ergebnisse der Actionphase auswerten (Das ist "Beute" und bringt die Spieler wieder an den Tisch). Anschließend wollen sie wahrscheinlich planen und diskutieren (nicht mehr als 1/2 h, danach tritt der Mann mit Pistole auf: Planungssessions laufen sich ganz leicht tot und sollten nie beliebig lange dauern dürfen), einige Sachen tun, für die im ersten Block Hinweise gelegt wurden, und am Ende des zweiten Blocks ist es 1/2 11: siehe oben.

Normalerweise sind die Spieler im ersten Block eher reaktiv, im zweiten, da sie mehr Info haben, eher proaktiv. Dieser Wechsel der Rolle trägt auch dazu bei, daß sich niemand langweilt. Jeden Block kann ich mit einem eigenen Spannungsbogen versehen, das hält die Leute bei der Stange.

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Andere Sachen:

IME frißt es Zeit wenn...

Wenn ein Con-Abenteuer zu lang geraten ist:

Verheerend auf Cons (= "So wirste nie fertig!"):

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Es gibt dann natürlich noch Con-Abenteuer wie den legendären "lästigen Barden", wo jeder Plan der Spieler fehlschlägt, bis es Zeit ist, fertig zu werden.

hth,
inge

--
It is easier to stay out than get out.
- Mark Twain


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