Hauskatzen


Dies ist das Land, wo nichts geschieht, wo Kinder wie Katzen an den Türen kratzen, um hinausgelassen zu werden, doch die Tür öffnet sich nicht. Öffnet sich nicht, während draußen, hinter Fensterläden, geschlossen gegen die Kälte, die Welt sich dreht. Die Welt kann nicht herein in dieses Land, wo Katzen und Kinder Milch und Kekse kriegen, ehe sie einschlafen am warmen Ofen, schnurrend, unter den zufriedenen Blicken ihrer Beschützer. Und sie werden satt und rund dort am Ofen, träge und zufrieden, und wenn sie träumen, dann von Milch und Keksen kommender Jahre, von eigenem Ofen, eigenen Katzen, eigenen Kindern mit glänzendem Fell.

Doch manche weinen des Nachts, sie lernen es nicht, unter dem glänzenden Fell weint ihr Herz vor Sehnsucht nach dem Draußen, nach der Welt, und vor Furcht vor beidem.

Vielleicht gehen sie eines Tages, die glücklichen und die, die nachts weinen, verlassen dies Land der geschlossenen Fensterläden. Sie gehen, um sich einen eigenen Ofen zu suchen, geschützt und sicher in ihrem Fell, in ihrem Wissen um das Land wo nie etwas geschieht. Manche gehen verloren, von denen spricht man nicht. Die anderen finden ein Heim, die glücklichen und die, die weinen, und während die glücklichen sich zusammenrollen und schnurren, sitzen die anderen da, mit gespitzten Ohren, und warten, daß etwas geschieht, endlich etwas geschieht. Doch das Rumpeln an der Tür klingt bedrohlich und der Wind pfeift kalt ums Haus. Sie weichen zurück gegen den Ofen und schließen die Fensterläden.

Sie warten.

Die Kratzer in den Türen heilen nie.

Sie warten.

Und sie wissen nicht, daß sie das Land, wo nie etwas geschieht, nie verlassen haben.

 
 
 

© inge, 1995
 
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